Im Laufe der 125-jährigen Forschungsgeschichte im Artemision von Ephesos stand der um 1870 wiederentdeckte Tempel im Mittelpunkt der archäologischen Arbeiten, während der ihn umgebende, einstmals dicht bebaute heilige Bezirk unerforscht blieb. Vom Österreichischen Archäologischen Institut wurde im Jahr 2009 ein Projekt zur bis heute einzig sichtbaren römischen Ruine innerhalb des heiligen Bezirkes initiiert, um den Forschungsschwerpunkt ausgehend von diesem Gebäude auf die römische Nutzungsphase und den gesamten heiligen Bezirk auszudehnen. Der Bau, der zuvor als „Tribüne“ bezeichnet wurde, konnte aufgrund von engen bautypologischen Vergleichen und spezifischem Fundmaterial als frühkaiserzeitliches Odeion identifiziert werden, ein Bautypus, der üblicherweise mit der Abhaltung von musischen Agonen in Verbindung gebracht wird. Die Existenz musischer Agone während der heiligen Spiele für Artemis in Ephesos ist schließlich in der Kaiserzeit durch Siegesnennungen eines Enkomiendichters, eines Rhetors, eines Choraules, dreier Komödianten sowie eines Kitharoden belegt. Helmut Engelmann vermutete daher schon früher die Ausrichtung des musischen Teils der Artemisia innerhalb des Heiligtums. Nachdem das untersuchte Gebäude als typologisch beispielhaftes frühkaiserzeitliches Odeion erkannt wurde, kann der Austragungsort der überlieferten musischen Agone nun eindeutig lokalisiert werden.