Die Archäologie der ephesischen Artemis. Gestalt und Ritual eines Heiligtums, Ulrike Muss (Hrsg.)
Review
Ulrike Muss (Hrsg.), Die Archäologie der ephesischen Artemis. Gestalt und Ritual eines Heiligtums. Verlag Phoibos, Wien 2008. 288 Seiten, zahlreiche Abbildungen.
An dem vorliegenden Sammelband sind dreiundzwanzig Autoren mit insgesamt dreißig Beiträgen beteiligt, die sich vornehmlich Themen der archaischen Periode des ephesischen Heiligtums widmen, nämlich dem achten bis sechsten vorchristlichen Jahrhundert. Das Buch entstand anlässlich einer Wanderausstellung, die von Mai bis September 2008 an in der Türkei gezeigt wurde und richtet sich somit an ein breites Publikum. Fußnoten fehlen gänzlich, was den Text für den interessierten Laien lesbarer macht, dem Fachpublikum allerdings die konkreten Quellen der vorgelegten Ausführungen und Argumente vorenthält. Am Ende der einzelnen Beiträge findet sich jeweils eine kurze Zusammenfassung in türkischer Sprache, eine Auswahlbibliographie sowie die relevanten Abbildungen in guter photographischer Qualität, abgesehen von den Münzen. Parallel zu diesem Band wurde ein Katalog mit ähnlichem, ja stellenweise identischem Inhalt und Bildmaterial erstellt: W. Seipel (Hrsg.), Das Artemision von Ephesos. Heiliger Platz einer Göttin (Wien 2008). Gleiches gilt für das bereits 2001 erschienene Buch U.Muss (Hrsg.), Der Kosmos der Artemis von Ephesos. Sonderschr. Österr. Arch. Inst. 37 (Wien 2001).
Die innere Gliederung erfolgt nach thematischen Gesichtspunkten: Die einzelnen Abschnitte sind mit den Begriffen ›Raum und Zeit‹ (S. 15–54), ›Die Göttin‹ (S. 55–75), ›Archäologie und Ritual‹ (S. 77–197), ›Kultur und Identität‹ (S. 199–240) sowie ›Architektonische Gliederung des Sakralen‹ (S. 241–288) überschrieben.
Im ersten Beitrag des Abschnittes ›Raum und Zeit‹ von Anton Bammer, ›Zur Geographie des Artemisheiligtums‹ (S. 17–19) werden die naturräumlichen Gegebenheiten knapp beschrieben, in erster Linie jedoch die Diskussion um die Datierung, Ausrichtung und Abfolge der Bauten im Bereich des Artemisions eingeleitet, die durch den Autor selbst im letzten Abschnitt erneut aufgegriffen und ausführlicher behandelt wird (s. u.). Als wesentliche Bauwerke werden der Peripteros und seine Vorgänger, die sogenannten Kultbasen aus dem siebten und sechsten Jahrhundert, der Apsidenbau, der sogenannte Hekatompedos und Tempel C, der Hofaltar, die beiden Dipteroi – darunter der sogenannte Kroisostempel aus dem sechsten Jahrhundert sowie der spätklassische ›Weltwunderbau‹ – angeführt sowie deren axiale Lage zueinander betont.
Mit den naturräumlichen Gegebenheiten beschäftigen sich Helmut Brückner, John C. Kraft und Ilhan Kayan, ›Vom Meer umspült, vom Fluss begraben. Zur Paläographie des Artemisions‹ (S. 21–31). Der mit zahlreichen schematischen Karten hervorragend illustrierte Beitrag beschreibt die sich durch Verlandung stetig verändernde Küstenlinie, die häufigen Überflutungen sowie die spätere Versumpfung des Geländes durch den steigenden Grundwasserspiegel. Mit Hilfe geologischer Bohrungen war es möglich, den Landschaftswandel über lange Zeiträume zu rekonstruieren. Dabei wird von den Verfassern eine Anhöhe, auf der bronzezeitliches Material zutage kam, als Keimzelle des späteren Heiligtums ausgemacht. Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Untersuchung ist der Nachweis von Schwemmfächersedimenten, die sich spätestens im frühen ersten Jahrtausend im Bereich des Artemisions ablagerten und auf denen die frühesten Bauten errichtet wurden.